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Nasenspray und Gurgeln zur Vorbeugung von Infektionen mit Sars-CoV-2?



Stellungnahme und Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGK) (gekürzte Version). Original inklusive Quellen hier: https://www.krankenhaushygiene.de/pdfdata/2020_12_02_Empfehlung-viruzides-gurgeln-nasenspray.pdf)

Autoren der Empfehlung: Axel Kramer, Maren Eggers, Nils-Olaf Hübner, Eike Steinmann, Peter Walger und Martin Exner


1 Einleitung

Da ein grosser Teil der (Corona-)Infizierten das Virus bereits vor Auftreten erster Symptome freisetzt, sind Schutzmassnahmen sinnvoll, die die Viruslast an den Eintrittspforten reduzieren, da die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit der Exposition zunimmt und die anfängliche Viruslast Einfluss auf den Schweregrad der Infektion hat.

Antiseptisches Gurgeln und nasale Antiseptik sind zu Unrecht in Vergessenheit geratene simple Präventionsmassnahmen. Gurgeln wurde lange Zeit zur Verringerung von Infektionen der oberen Atemwege und zur Behandlung bakterieller/viraler Infektionen (z.B. Halsentzündung, Erkältung) eingesetzt, ist aber aus der Mode gekommen. Das Händewaschen mit Wasser und Seife und das Gurgeln mit Kochsalzlösung wurden schon während der Spanischen Grippe 1918 der Bevölkerung in Deutschland vom Reichsgesundheitsrat als Präventionsmassnahme empfohlen.

Im Unterschied zu Europa hat das tägliche Gurgeln in Japan ebenso wie in Korea zur Infektionsprävention respiratorischer Infektionen eine lange Tradition. 2009 wurde das Gurgeln vom japanischen Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Wohlfahrt verstärkt während der H1N1-Schweinegrippe-Pandemie propagiert und wird erneut seit der COVID-19 Pandemie ausdrücklich der Bevölkerung zur täglichen Durchführung empfohlen.

Bereits seit Jahrhunderten ist bekannt, dass salzhaltige Luft eine beruhigende Wirkung auf die Atemwege hat. Sie regt die natürliche Selbstreinigung der Atemwege an und beugt der Austrocknung der Schleimhäute vor. Zusätzlich wirkt die Befeuchtung der Schleimhäute der Anhaftung von Viren entgegen und ist daher selbst ohne Anwendung von Lösungen/Sprays mit viruzider Eigenwirkung präventiv wirksam.

Nachfolgend wird eine kurzgefasste Zusammenstellung der bisherigen Kenntnisse zur viruziden Wirkung und zu den präventiven Einsatzmöglichkeiten von Gurgellösungen und Nasensprays gegeben.


2 Wissensstand zur Wirksamkeit von Gurgeln und Nasenspray

2.1 In vitro Wirksamkeit (d.h. im Labor nachgewiesen)

Für folgende Formulierungen ist die Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 in vitro nachgewiesen:

Nasenspray auf Basis von Carragelose und PVP-Iod > 0,23%;

Mundwässer auf Basis ätherische Öle, Dequaliniumchlorid und Benzalkoniumchlorid (Dequonal), Phenoxyethanol + Octenidin (Octenisept) [9, 10], Ethanol + Ethyllaurylarginat und zwei Mundwässer auf Basis von Cetylpyridiniumchlorid. Für Mundwässer auf Basis ätherischer Öle konnte mit Alkoholgehalt (Listerine Cool Mint) als auch ohne Alkoholgehalt (Listerine Cool Mint milder Geschmack) eine komplette Inaktivierung von SARS-CoV-2 nachgewiesen werden (unveröff. Daten). Dagegen waren Mundwässer auf Basis von Wasserstoffperoxid, Polihexanid, Chlorhexidin oder Octenidin (letzteres ohne die Kombination mit Phenoxyethanol) nicht ausreichend wirksam.

Auch Grüner Tee, Granatapfel- und Aroniasaft sind viruzid wirksam gegen verschiedene Erreger respiratorischer Infektionen, die Wirksamkeit ist allerdings geringer als bei den o.g. Mundwässern. Die Infektiosität von SARS-CoV-2 wird nach 1 min Einwirkungszeit durch Grüner Tee und Granatapfelsaft um 80 %, durch Aroniasaft um 97% gesenkt.

Für Salbeiextrakt ist die Wirksamkeit gegen Grippe- und andere Coronaviren nachgewiesen; damit ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 gegeben.


2.2 Wirksamkeit in Anwendungsstudien

Gurgeln mit präventiver Zielsetzung

Mit hypertoner Kochsalzlösung (2% - 3 %) 3mal/d: sign. Verkürzung der Infektion (Virusgrippe) beim Anwender; durch die Herabsetzung der Virusausscheidung wurde die Erkrankungshäufigkeit auch bei im Haushalt lebenden Personen um 35% reduziert.

Mit Grüner Tee: Reduktion der Virusgrippeerkrankungen um 30% (Vergleich mit Wasser oder kein Gurgeln; 5 Studien).

Mit PVP-Iod 7%: sign. weniger Fehlschultage wegen Erkältungskrankheiten und Virusgrippe.

Gurgeln mit therapeutischer Zielsetzung

Bei Patienten im Stadium 1 von COVID-19 (= präsymptomatisches Stadium 1-2 Tage vor Symptombeginn nach erfolgter Infektion) wurde die virale Clearance sowohl durch 1% PVP-Iod als auch durch die Kombination von Ethanol mit ätherischen Ölen im Vergleich zu Leitungswasser signifikant erhöht. Auch in einer kleinen Fallstudie in Spanien konnte 1% PVP-Iod die Viruslast von COVID-19 Patienten senken.

Nasenspray

Carragelose (Algovir® Erkältungsspray: 1,2 mg Carragelose + 0,5% NaCl): sign. Reduzierung der Anzahl Erkrankter und der Erkrankungsdauer bei Erkältungskrankheiten (3 Studien).

Mundspülung

Salbeiextrakt: Erwies sich therapeutisch als ebenso wirksam gegen Herpes labialis wie das Virostatikum Aciclovir

Kombination von Ethanol mit ätherischen Ölen: analog hoch wirksam gegen Herpes labialis.


3 Risikobewertung

Carragelose (Rotalgenextrakt), Ethanol + ätherische Öle, Kochsalzlösung und Grüner Tee: keine Risiken.

0,23% PVP-Iod: Die Resorption beim Gurgeln ist nicht untersucht. Iod-induzierte Schilddrüsenüber- oder -unterfunktionen werden im Kontext topischer Anwendungen nur bei Exzess-Expositionen beschrieben. Frank et al. halten die Anwendung von PVP-Iod in Konzentrationen von bis zu 2,5% für bis zu 5 Monate für sicher.

Octenidin: Ausgeprägte Zytotoxizität und Irritationspotenz, längerfristige Anwendung könnte Nebenwirkungen haben.


4 Nationale und Internationale Empfehlungen

4.1 Schutz der Bevölkerung

Japan: morgens und abends gurgeln und Nasenspray mit 0,23% wässriger PVP-Iod-Lösung.

4.2 Präexpositionsprophylaxe zum Schutz von Mitarbeitern im Gesundheitswesen

Belgien: Gurgeln mit1% PVP-Iod.

Portugal und Malta: Gurgeln mit0,2% PVP-Iod

World Health Organization: Gurgeln mit 0,2% PVP-Iod.

Deutschland: Gurgeln mit 0,2% PVP-Iod vor zahnärztlicher Behandlung; vor Intubation und Bronchoskopie Spülung der Mundhöhle mit 1,25%iger wässriger PVP-Iod-Lösung möglichst in Verbindung mit Gurgeln.


5 Empfehlungen für Deutschland

A Für die Bevölkerung

Gurgeln

Kochsalz: Einen gestrichenen Teelöffel Kochsalz in 100 ml lauwarmem Wasser lösen. Etwa Menge eines Schnapsglases in den Mund nehmen, jeweils vor dem Einatmen Gurgeln unterbrechen und Vorgang etwa 3 min lang wiederholen; mind. morgens und abends, falls möglich, 3-mal/d; Gurgellösung nicht herunterschlucken.

Grüner Tee: Zum Gurgeln lauwarm abkühlen lassen.

Granatapfel- und Aroniasaft: Weil hier bisher nur in-vitro-Ergebnisse zur Wirksamkeit vorliegen, sind Kochsalzlösung und grüner Tee zu präferieren.

Ätherische Öle: Mundwässer unverdünnt anwenden. Auf Grund der hohen in vitro Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 und der Senkung der Viruslast bei SARS-CoV-2-Infizierten sind Mundwässer auf Basis ätherischer Öle anstatt der vorgenannten Möglichkeiten zu favorisieren. Es sind keine Langzeitnebenwirkungen bekannt.

Nasenspray

Kochsalz: Unkonservierte Produkte ohne Zusatz abschwellender Mittel; bei Ansetzen zu Hause (s.o.) Lösung durch Einatmen in die Nase einziehen.

Carragelose: (Algovir® Erkältungsspray), wegen höherer Wirksamkeit im Vergleich zu Nasensprays auf Basis von Kochsalz zu bevorzugen.


B Präexpositionsprophylaxe zum Schutz von Mitarbeitern im Gesundheitswesen

(…)

C Präexpositionsprophylaxe zum Schutz der Bevölkerung

Ein besonderer Schwerpunkt ist die Anwendung z.B. vor gemeinsamer Esseneinnahme oder vor gemeinschaftlichen Aktivitäten in Einrichtungen der Altenpflege oder in Rehabilitationseinrichtungen, bei Familientreffen (in den erlaubten Grössenordnungen), bei beruflichen Gruppentreffen, Gottesdiensten, sonstigen religiösen Feiern, Beerdigungen usw.

Für Mitarbeiter in Gesundheitseinrichtungen ist es sinnvoll, zuerst zu Hause und ein 2. Mal in der Einrichtung zu gurgeln, um ggf. unterwegs adhärierte Viren zu inaktivieren.

Empfehlung in folgender absteigender Reihenfolge: Gurgeln mit Mundwässern auf Basis ätherischer Öle, 1,25% PVP-Iod (als Spray bei Demenz), Grüner Tee oder Kochsalzlösung.

In Schulen und Kindergärten wird den Kindern und Betreuern Gurgeln mit Grüner Tee oder Kochsalzlösung bei gleichzeitiger Anwendung von Nasenspray empfohlen. Wegen der höheren Wirksamkeit von Carragelose ist vorzugsweise Algovir® Erkältungsspray zu empfehlen.

D Postexpositionsprophylaxe

Nach Kontakt mit SARS-CoV-2 infizierten: Für 7 (bis 14) d Gurgeln (mehrmals täglich) mit Mundwasser auf Basis ätherischer Öle. Alternativ kommt 0,23% wässrige PVP-Iod-Lösung in Betracht. Zusätzlich sollte ein Nasenspray auf Basis von Carragelose verwendet werden.


Persönliches Fazit (RA)

Es gibt Dutzende von Massnahmen gegen eine Covid-19-Infektion. Wichtigste und wirksamste: die Impfung. Mit schützenden Nasensprays und virenabtötendem Gurgelwasser erreicht man sicher keine vergleichbare Wirkung, aber nutzlos sind sie deswegen nicht. Wie alle übrigen Schutzmassnahmen (Abstand, Händehygiene, Schutzmaske) vermögen sie vermutlich (seriöse Studien legen das nahe), Risiko wie auch Schwere einer Infektion (nicht nur mit Sars-CoV-2, sondern auch mit andern Atemwegsviren) zu reduzieren. In welchem Umfang, ist eigentlich egal – es sind alles Mosaiksteinchen, die zum Schutz beitragen. Gurgeln und Nasensprays sind einfach, günstig und ungefährlich; es wäre dumm, diese medizinischen Hilfen nicht zu nutzen. Auch wenn die Empfehlung der DGK schon fast einem Werbespot für Carragelose (Rotalgen-Extrakt) gleichkommt – die Chance, dass es etwas nützt, ist gross genug, es einzusetzen.

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